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This document is part of the Ocean Girl Archive — Last update: 2009-02-15 — sourcemeta

Author:Peter Hepworth
Published:1994-01-01
Archived:2008-05-08

11. Tiefenrausch

Erst ein paar Tage waren seit Neris erstem, chaotischen Besuch auf ORCA vergangen, als sie darauf hinzuweisen begann, dass sie gerne wieder kommen würde. Es wären so viele Dinge, sagte sie, die sie wieder sehen wollte.

Jason versuchte, es ihr auszureden, doch er wusste in seinem innersten, dass seine Bemühungen zum Scheitern verurteilt waren. Also machten sie eine Vereinbarung. Sie könnte noch einmal kommen, willigten sie ein, doch nur, wenn die Jungen es ihr erlaubten. „Es gibt noch etwas wichtiges, das wir zuerst arrangieren müssen“, sagte Jason.

Sie nahmen Vanessas Uniform aus der Ausrüstungskiste, wo sie versteckt war; rissen das belastenden Code-Schildchen heraus und warfen es ins Meer.

Dann ersetzten sie es durch ein neues Schildchen, eines von Mom. Es war aus einer Jacke, die sie sehr selten trug und wenn sie bemerken würde, dass es fehlte, würde sie sich nicht weiter darum kümmern.

An dem Tag, an dem Neri zurück an Bord kam, begab sich Vanessa auf schnellstem Wege zu ihnen, nachdem sie die Kantine betreten hatten. Als sie wieder Forderungen hinsichtlich der Uniform stellte, zuckte Jason mit den Achseln und schlug ihr vor, es zu überprüfen. Vanessa untersuchte sofort die Hinterseite der Jacke. Sie senkte den Kopf. Mit einem Blick war zweifellos festgestellt, dass der Barcode nicht ihrer war. Als sie stirnrunzelnd wegging, tauschten die Jungen und Neri ein heimliches Siegesgrinsen aus.

Als Vanessa wieder bei Jodie am Tisch war, hatte sich ihr Stirnrunzeln in einen düsteren Blick gewandelt und ihre Augen waren von Verdachtsmomenten erfüllt. „Ich sage immer noch, dass sie etwas steltsames vorhaben“, murrte sie zu Jodie. „Und ich denke, was auch immer es ist, dieses Mädchen hat auch etwas damit zu tun.“

Die übrige Zeit ging Neris zweiter Besuch überraschend glatt. Daggy folgte ihr mit verehrenden Blicken, doch ihre andere Freunde grüßten sie nur, wie sie es mit jedem Neuankömmling taten. Jason hatte einige Zeit damit verbracht, Neri an ihre neue Identität heranzuführen und die anderen schienen es zu akzeptieren ohne Fragen zu stellen. Neri blieb nah bei den Jungen und abgesehen von ihrer ziemlich einzigartigen Art, in den ungewohnten Schuhen zu gehen, tat sie wenig, was die Aufmerksamkeit auf sie lenkte.

Jason und Brett waren angenehm erleichtert, als sie Neri auf ihrem Weg nach draußen zum Hauptaufzug führten, dann erblickte Mom sie auf der anderen Seite der Rezeptionszone. Sie hatte eine laute Diskussion mit Commander Lucas gehabt. Sie schienen eine Menge zu streiten, hauptsächlich über die Laborausstattung, die sie als notwendig hielt und er ihr nicht genehmigen wollte, er fand es als Geldverschwendung. Sie war mitten in einem Satz, als sie über seine Schulter schielte und sie zusammen lachend vorbeigehen sah.

Als Jason bemerkte, dass sie beobachtet wurden, ging er schnell zum Aufzug und öffnete den Eingang. Einen Augenblick später sausten sie nach oben.

„Das wird der letzte Besuch für eine Weile gewesen sein“, sagte er zu Neri, während sie ihre Kleider hinter der Ausrüstungskiste wechselte. „Wir können das nicht zu oft riskieren. Außerdem hast du einfach alles gesehen, was man hier sehen kann. Bleib also von hier weg und wir werden auf die Insel kommen wann immer wir können. In Ordnung?“

Neri nickte widerwillig, bestand darauf, dass die Uniform zurück an ihr Versteck auf der Plattform gelegt wurde, winkte und glitt unter die Oberfläche.

„Wer war denn das Mädchen, dass ich heute mit euch zusammen gesehen habe?“ fragte Mom diesen Abend in ihrer Kabine.

„Du meinst Neri?“ sagte Brett ohne nachzudenken.

„Sie ist nur eine Freundin von uns“, fügte Jason vorsichtig hinzu.

„Ihr habt wirklich ausgesehen wie alte Kumpels auf eurem Rückweg“, fuhr Mom fort und runzelte die Stirn. „Sie hat das Lied des Wals mitgesummt, als sei es eine Melodie, die sie kennt. Und sie hat sehr ungewöhnliche Augen.“

„Tja, man könnte sagen, Neri ist etwas anders, glaube ich“, stimmte Brett vorsichtig zu, „aber das mögen wir so an ihr.“

„Außerdem ist Neri ein ungewöhnlicher Name. Haben ihre Leute etwas mit dem Meer zu tun?“

Jason konnte fühlen, wie sich langsam sein Hals zusammenzog. „Ich weiß nicht. Warum?“

„Tja, in den der alten griechischen Mythologie waren die Nereids Seenymphen. Ziemlich ähnlich, nun, den Meerjungfrauen, wie ihr vielleicht sagen würdet. Ich dachte nur, dass sie vielleicht daher ihren Namen hat.“

Brett lachte gezwungen. „Ja, sicher, Mom. Ich und Jason verbringen die ganze Zeit mit Meerjungfrauen. Und nächste Woche spielen wir SimuloTennis mit dem Loch-Ness-Monster. Das wird was!“

Mom antwortete mit einem freundlich gemeinten Klaps und umarmte ihn dann. „Besserwisser“, grinste sie und ging lächelnd weg.

Später lagen die Jungen in ihren Betten und flüsterten durch die Dunkelheit.

„Du denkst doch nicht etwa, dass es die Möglichkeit gibt, dass sie wirklich eine ist?“ fragte Brett. „Eine Meerjungfrau meine ich?“

„Ach was“, flüstete Jason zurück. „So etwas gibt es nicht. Sie ist vielleicht anders, aber so sehr auch nun wieder nicht. Außerdem, wir wissen, woher sie kommt — dieser Schiffbruch in den Sümpfen. Sie hätte wohl kaum ein Schiff gebraucht, wenn sie eine Meerjungfrau wäre, oder?“

„Nein, ich glaube nicht. Und ich denke, sie müsste dann auch eine Flosse haben.“

„Merk dir, ich glaube, Mom würde denken, sie ist die zweittollste Sache der Welt, wenn sie je die Wahrheit herausfindet. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass sie Neri nie wieder sieht.“


Moms Gesicht schien rot vor Aufregung, als es auf dem KommunikationsBildschirm auftauchte. „Kommt hoch ins Labor, Jungs. Es gibt etwas, was ihr euch bestimmt anschauen möchtet.“

Als sie ankamen, verbanden Winston und Billy Neilson die letzten Teile des Synthesizer-Geräts miteinander, während Mom ihnen zuschaute. Die Jungen nickten Billy zu.

„Fertig, Dr. Seth“, sagte Billy. „Soll ich hier bleiben für den Fall, dass sie mich noch brauchen?“

„Danke, nein“, sagte Mom. „Wir kommen mit dem übrigen jetzt selbst klar.“

Billy schaute etwas enttäuscht als er hinausging, bemerkte Jason. Doch er kümmerte sich nicht weiter darum und kam zu den anderen am Hauptschirm.

Darauf konnte man die beiden Leuchtpunkte deutlich sehen, die sich Seite an Seite durch den Ozean bewegten. Die Töne des Walgesangs prasselte aus den Lautsprechern.

Unter Moms Anleitung verfeinerte Winston die Komputerkoordinaten ein, um den größeren Leuchtpunkt einzugrenzen.

„Richtig. Jetzt versuchen sie den Bildsynthesizer einzuschalten.“ Diannes Augen schmälerten sich in Konzentration, als sie auf den zweiten Bildschirm blickte, der auf einer Seite des Tisches stand.

„Wenn es funktioniert, wird das Programm das Objekt identifizieren und es hier anzeigen“, murmelte sie gedankenversunken zu den Jungen.

Eine kurze Zeit passierte nichts, dann begann sich eine Gestalt zu formen. Es materialisierte sich zu einem eindeutig erkennbares Bild, dem großen Körper und riesigen Flossen.

Jason fühlte, wie Mom seinen Arm in erwartungsvoll umklammerte.

„Siehst du? Das ist der Wal. Es funktioniert!“ sagte sie und fügte dann hinzu, „Gut, Winston, jetzt zum richtigen Test.“

Winston schob die Koordinaten in das Zentrum des kleineren Objekts.

Zur gleichen Zeit wurde der Walgesang leiser und wurde von anderen Tönen ersetzt, schwache, in gleichmäßigen Abständen auftretende Laute, die wie einige weit entfernte Stimmen klangen, die eine Melodie summten.

Wieder, nach einer Pause, begann sich etwas auf dem Bildschirm aufzubauen. Dianne öffnete den Mund während der Körper und der Kopf genauer wurden. Dann Arme und Beine.

„Ein solches Seetier habe ich noch nie zuvor gesehen.“ Ihre Stimme war ein erstauntes Flüstern. „Es sieht fast… menschlich aus.“

In der folgenden, langen Stille betrachteten sie und Winston angespannt den Monitor. Schließlich drehte sie sich zu Jason, mit tief gerunzelter Stirn.

„Erinnerst du dich noch daran, als wir den Wal markiert haben und du behauptet hattest, du hättest ein Mädchen im Wasser gesehen?“

Jason lachte so überzeugend er konnte.

„Ach komm, Mom, du denkst doch nicht etwa wirklich… “ Er schüttelte den Kopf und zeigte auf die Geräte. „Dieses Ding funktioniert nicht richtig, das ist alles. Ich hatte damals nur versucht, uns von ORCA wegzubringen.

Ich hatte die ganze Sache erfunden.“


„Sie musste mir natürlich glauben, aber trotzdem, sei vorsichtig, Neri.“

Die Jungen und Neri saßen am nächsten Tag zusammen auf der Insel um die Asche des Lagerfeuers herum.

„Vielleicht würdest du besser versuchten, nicht so häufig mit Charley schwimmen zu gehen“, sagte Jason.

„Nicht mir Charley schwimmen gehen?“ Neri schaute Jason an, als wäre er verrückt geworden, und er wußte sofort, dass unmöglich war, was er vorgeschlagen hatte. Er zog es zurück.

„Tja, zumindest solltest du vorsichtig sein, wenn du das tust. Nur für den Fall, dass sie rauskommen und nach dir suchen. Mom ist jetzt wirklich neugierig. Du musst sicherstellen, dass sie dich nie zu Gesicht bekommt.“


Jason konnte sehen, dass Mom sich gerade machte, als sie diesen Abend in die Kabine kam.

„Stimmt etwas nicht?“ fragte er.

Sie nickte. „Uns wurde gerade gesagt, dass Jan Slater von der ORCALeitung morgen hierherkommt. Sie will sich die Resultate von verschiedenen Labors anschauen und wir stehen auf der Liste.“

„Na und?“

„Na, jeder weiß, was das bedeutet. Sie kürzen die Finanzmittel. Einige dieser Labors werden wohl geschlossen werden.“

Brett blickte rüber, stirnrunzelnd. „Aber wenn sie euer Labor schließen, was passiert dann mit uns?“

Mom seufzte. „Tja, es gäbe keinen weiteren Grund für uns, länger auf ORCA zu bleiben. Ich schätze, wir würden alle zurück ans Festland gehen müssen.“

Da sie die Besorgnis in den Gesichtern ihrer Jungen geschrieben sah, versuchte Mom beruhigend zu klingen. „Ich denke nicht, dass wir unsere Koffer schon packen müssen“, sagte sie. „So lange Winston und ich sie davon überzeugen können, dass unsere Arbeit Fortschritte macht, hoffe ich, dass sie es als wichtig ansieht, dass wir damit weitermachen.“

Aber Jason konnte das zeifelhafte Zittern in ihrer Stimme hören, und eine plötzlicher Angst erfasste ihn. Wenn Mom nicht recht hätte, würde das bedeuten, dass sie sich von Neri verabschieden mussten, warhscheinlich für immer.


Am nächten Tag hielt Neri Jason’s mahnende Worte von ihrem letzten Treffen im Hinterkopf. Sie und Charley blieben ausserhalb der Umgebung von ORCA und schwammen unter Wasser, kamen nur vereinzelt nach oben um Luft zu holen.

Das Boot, das Jan Slater vom Festland brachte, war fast über ihnen, bevor Neri, die als erste auftrauchte, es kommen sah.

Tauch weg. Tauch tief, rief sie zu ihm während sie sich selbst zurück in die Tiefen begab. Doch Charley konnte nicht schnell genug reagieren. Der ganze Kiel schürfte über seinen Rücken als das Fahrzeug über ihm hinwegfegte. Es riss den Sender hinter seinem Kopf mit einem harten, raspelnden Geräusch ab, gerade als Charley sich zur Flucht aufmachte.

An Bord des Bootes klammerte sich Jan Slater am Geländer fest als das Fahrzeug erschütterte. Unter Wasser begann das Kontrolllicht an Charleys Sender zu flackern und ging aus.

Jason und Brett warfen einen misstrauischen Blick auf die Entwicklungen in Moms Labor, als die Töne des Wals plötzlich aufhörten. In der Stille, die folgte, lenkte Winston ihre Aufmerksamkeit auf die Bildschirme.

„Schaut mal. Wir haben auch den Hirnstromscan an der Senderposition verloren. Alle Monitore sind tot! “

Dianne starrte ungläubig auf die Geräte. „Oh nein!“ stöhnte sie. „Und Jan wird in zwanzig Minuten hier sein! Los, Winston, drehen sie den Empfänger hoch oder tun sie etwas anderes. Wir müssen diese Signale schnell zurückbekommen!“

Sie versuchten es immer noch, als Lucas eine halbe Stunden später Jan Slater durch die Tür führte.

„Ich hoffe, sie hatten eine gute Reise“, lächelte Dianne angespannt.

„Es gab etwas Aufregung“, antwortete Jan. „Wir sind im Wasser mit etwas zusammengestoßen. Glücklicherweise sind wir abgeprallt, so dass es keinen ernsthaften Schaden verursacht hat.“

Sie kam Jason ziemlich freundlich vor, als sie sich ihm und Brett vorstellte, doch als sie sich zu Mom wandte war alles nur noch Formsache.

„Tja, Dianne, warum zeigen sie mir nicht einfach, was sie gerade machen?“

Mom versuchte es mit allen Mitteln, das musste Jason ihr lassen. Und Jan Slater schien beeidruckt von den Aufnahmen des Walgesangs und den Computeraufzeichnungen der dabei auftretenden Hirnstrom-Muster. Doch als Mom zugeben musste, dass ihre Ausrüstung versagt hatte, wurde Slaters Gesicht ernst.

„Ich muss ehrlich zu ihnen sein“, sagte sie schließlich. „Es gibt gewisse Leute in der Geschäftsführung, die ihre Forschung bereits als, nun, Geldverschwendung ansehen. Wenn ich zurückkomme und ihnen berichte, dass diese Geräte, die millionen von Dollar teuer sind, noch nicht einmal funktionieren, werden sie nicht mehr zögern. Sie werden das hier innerhalb einer Woche schließen lassen.“

Tja, jetzt haben wirs, dachte Jason zu sich selbst. Wir sind erledigt.

Doch Dianne hob die Stimme. „Wie lange werden sie hier sein, Jan?“

„Bis 19:00 Uhr heute abend.“

Es war ein verzweifelter Unterton in Diannes Stimme. „Wenn ich sie bis heute abend wieder zum Laufen bringe, werden sie dann empfehlen, dass wir weitermachen dürfen?“

Jan nickte. „Ja, ich denke, dass würde gehen. Ich müsste es allerdings selbst sehen, wenn es ihnen nichts ausmacht.“

„Sie werden es sehen.“

Erst als Lucas Slater nach draußen zu ihrem nächsten Kandidaten begleitete fand Jason seine Stimme wieder um seiner Mutter eine Frage zu stellen.

Wie um alles in der Welt meinte sie das, bis dahin alles in Ordnung bringen?

Mom sagte, sie hätte eine Idee. Da die gesamte Laborausstattung noch lief, so weit sie das sehen konnte, musste der Fehler beim Sender am Wal liegen.

Sie wandte sich mit einer Frage an Winston.

„Sie haben zwei dieser Sender angefertigt, oder?“

„Ja“, sagte Winston, „aber nur einer hat auf den Pfeil draufgepasst. Wir können jetzt nicht noch einen bauen.“

„Das müssen wir auch gar nicht“, antwortete Dianne kühl. „Wenn wir sie einfach austauschen.“

Jason starrte sie an. War sie jetzt ganz verrückt geworden?

„Oh, sicher Mom“, dachte Brett laut vor sich hin. „Und wie willst du das tun? Rausschwimmen und sagen: ’Hallo, Wal. Macht es dir etwas aus, wenn ich nach deinem Sender schaue und ein paar Reparaturen mache?’“

„Mehr oder weniger. Ich denke, wir können die Aufnahmen seines eigenen Gesanges benutzen, um ihn anzulocken. Ich werden unter Wasser auf ihn warten. Dann, wenn ich gerade nah genug an ihn rankomme, könnte ich das alte Modul aus der Befestigung ziehen und das neue an seinen Platz bringen.“

„Du wirst nie so nah an ihn herankommen“, protestierte Jason. „Und du hast seit Jahrzehnten nicht mehr getaucht!“

Doch Mom bestand daruaf. Sie konnten nicht zulassen, dass all ihre Arbeit einfach für nichts war. Sie musste es versuchen. „Kommen sie mit?“ fragte sie Winston.

„Tja, ich werde sie sicherlich nicht alleine gehen lassen.“

„Ich komme auch mit“, sagte Jason. „Ihre braucht jemanden, der das Boot steuert, Mom, und einen Tauchpartner.“

Sie schaute ihn einen Moment mit einem steinernen Blick an. „Sehr gut“

sagte sie, „aber sofort, wenn der Wal auftaucht, will ich, dass du aus dem Wasser gehst. Winston, nehmen sie das neue Modul und ein UnterwasserTongerät. Ich suche schnell die Aufnahmen. Brett, hilf Jason, die Sauerstoffgeräte abzuholen. Wir treffen uns dann alle oben auf der Plattform. Schnell jetzt!“


Winston ließ vorsichtig einen Unterwasser-Lautsprecher über die Seite des Bootes, während Jason und Dianne sich die Sauerstoffflaschen umschnallten.

„Passen sie nur ja auf ihre Tiefe auf!“ sagte er. „Und versuchen sie nicht, den Wal zu jagen. Der menschliche Körper kann auf plötzliches Auf- und Abtauchen nicht so schnell wie sie reagieren. Hütten sie sich vor dem ’Tiefenkoller’“

Dianne nickte ungeduldig und nahm das Ersatzmodul. „Wünsch’ uns Glück“, sagte sie zu Brett und spielte nervös an ihren Haaren. Dann ließen sie und Jason sich über Bord fallen und verschwanden aus der Sicht.

, Über welches Kollerding haben sie da geredet?“ fragte Brett Winston während er den sich entfernenden Luftblasen beim Blubbern zuschaute.

„’Der Tiefenkoller’. Das ist das Risiko eines jeden Tauchers. Es macht sie leichtsinnig und entzieht ihnen die Kontrolle über den Körper. Manchmal vergessen sie sogar zu atmen. Aber mach dir keine Sorgen mein Junge. Ich bin sicher, sie werden gegenseitig auf sich aufpassen.“

Er nahm die erste Aufnahme und legte sie in das Wiedergabegerät. „Tja, los gehts.“

Unter Wasser ertönte der Walgesang aus den Lautsprechern, der Ruf hallte durch die Schluchten des Ozeans.


Neri stand verwirrt am Strand von Charleys Bucht. Er war weggeschwommen ohne ihr etwas zu sagen und sie konnte jetzt zwei statt einem Lied in ihrem Kopf höhren. Beide klangen wie Charley. Es war höchst merkwürdig.

Sie ging ins Wasser und begann, auf das Meer zuzuschwimmen.


Winston gab einen Freudenschrei von sich und rief Brett zum LanarBildschirm. Er deutete auf den großen, unscharfen Leuchtpunkt, der in ihre Zone kam. „Er ist es, und er bewegt sich direkt auf uns zu!“


Jason fühlte, wie Mom ihm an den Arm stieß. Sie zeigte auf ihr Meßgerät und dann auf die Flaschen auf ihrem Rücken. Schließlich zeigte sie auf ihn und hielt den Daumen nach unten. Jason verstand, was sie sagen wollte.

Mit einem Nicken begann er, langsam und leicht nach oben zu schwimmen. Während er aufstieg, beobachtete er den Umriß des Bootes weit über ihm, der langsam größer wurde, während er höher kam. Er bemerkte jedoch nicht einen anderen Umriß, ein großer, dunkler Schatten, der sich von Osten in seine Richtung bewegte.

Jason kam an die Oberfläche, warf seine Flossen an Bord und kletterte die kleine Leiter an der Seite des Bootes hoch.

„Wir brauchen langsam wieder Luft“, erklärte er. „Sie hat mir gesagt, ich solle wegen neuer Flaschen nach oben kommen.“

Winston nahm ein Ersatzpaar von leerer Flaschen, das auf dem Deck lag.

Jason fing an, seine eigenen Sauerstoffflaschen zum Wiederauffüllen auszuziehen während Winston wegging um den Kompressor anzuwerfen.

„Das wird eine Weile dauern“, warnte er.

„Kein Problem“, sagte Jason. „Sie hat noch eine Menge übrig. Und da unten tut sich sowieso noch nichts.“

Im Meer unter ihnen erblickte Dianne den Wal gerade als Jason aus ihrer Sicht verschwunden war. Er schwamm in ihr Blickfeld und begann, das Boot unter Wasser langsam zu umkreisen, neugierig, aber vorsichtig.

Dianne griff nach dem Modul und schwamm langsam in seine Richtung.

Sie kam hinter seinem gigantischen Körper nach oben und mied vorsichtig die wogende Schwanzflosse. Nachdem sie sich in Richtung seines Kopfes vorgearbeitet hatte, konnte sie tatsächlich das kaputte Modul sehen, das nur noch lose am Sender hing. Ein paar Schwimmzüge und sie würde es auch wirklich anfassen können.

Dann, ohne Vorankündgung, drehte sich der Wal um und tauchte weg.

Dianne tauchte sofort hinterher, da sie befürchtete, nicht mit ihm Schritt halten zu könnten. Wiederum setzte Dianne an, um den Kopf zu erreichen als er, mit einem leichten Schlag seiner gigantischen Schwanzflosse, sich wegbewegte, diesmal nach oben.

Sie schaute ungläubig. Das blöde Dinng spielte mit ihr. Entschlossen setzte sie wieder hinter ihm her.

Es war bei ihrem ihr dritter Aufsteigen, einem besonders schnellen, als sie von einem merkwürdigen Gefühl erfasst wurde. Ihr wurde schwindlig im Kopf. Die trübe Dunkelheit des Meeresbodens schien plötzlich in hellen, bezaubernden Farben zu leuchten. Der Wal veränderte offensichtlich seine Größe, schrumpfte so weit, dass er nicht mehr größer als ein Goldfisch war.

Sie fühlte, wie ihr das Modul aus der Hand glitt und in Richtung des Ozeanbodens unter ihr sank, doch es kam ihr witzig vor anstatt sie zu erschrecken.

Sie spürte einen unkontrollierbaren Drang, lachen zu müssen.

Tiefenkoller.

Als sie sich die Maske vom Gesicht riss, wirbelte das große schwarze Auge des Wals um sie und betrachtete sie.

Neri, rief er, komm’ schnell her. Ein Wesen ist in Gefahr.

In einiger Entfernung schwebte Neri regungslos im Wasser, als sie den Ruf hörte. Sie konzentrierte sich. Da war die Gestalt in einem merkwürdigen Anzug den auch Jason getragen hatte. Und als die Atemröhre aus dem Mund viel, erkannte sie das Gesicht. Es war Mutter.

Neri schwamm so schnell sie konnte nach vorne.

Winston war gerade damit fertig, Jasons Tanks zu füllen, als ein Schrei von Brett seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Brett zeigte auf den ständigen Strom von Luftblasen, der aus dem Meer unter ihnen kam. Ein Gefühl sagte Jason, dass etwas schreckliches passiert war. Er schnappte sich die gefüllten Ersatzflaschen vom Deck und begann sie wie wild auf seinem Rücken zu befestigen.

Unter ihm, begann Dianne hilflos nach unten zu schweben, als Neri bei ihr ankam. Sie packte sie an einem Arm, schnappte den Luftschlauch mit ihrer freien Hand und drückte das Mundstück zwischen ihre Lippen. Dann begann sie langsam aber stetig nach oben zu steigen.

„Sie kommt hoch!“

Brett rief in dem Augenblick, als Jason über Bord springen wollte. Er lief zum Heck des Bootes um sich zu vergewissern. Sicher war, dass ein ein schattiger Umriß von unten hochkam. Aber es schien ihm, als sei damit etwas nicht ganz in Ordnung.

Einige Minuten später kam Neri an die Oberfläche und hielt Dianne immer noch an einem Arm. Jason bemerkte Winston neben sich. Er stand wie angewurzelt an seiner Stelle und starrte auf Neri, mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund.

Diannes Körper war schlaff und ihr Kopf hing nach hinten, doch zu seiner Erleichterung konnte Jason den Luftzug durch den Luftschlauch hören. Er beugte sich nach unten um sie greifen zu können. Winston schafte es, seine versteinerten Glieder zu bewegen und kam den beiden Jungen zur Hilfe. Als sie Mom über die Reling zogen schaute Neri ängstlich und fragend Jason an.

Er nickte, sowohl als Dank als auch um ihr zu versichern, dass mit ihr alles in Ordnung sei.

Als Winston wieder zu ihr hinschaute, was das Mädchen verschwunden.

Dianne lag hustend und spuckend an Deck während sie sich ängstlich um sie herum sammelten. Ihre Augenlieder zitterten und öffneten sich dann halb.

Sie schaute ermattet auf Winston. Als sie schließlich sprach, war ihre Stimme wie ein Flüstern.

„Das Mädchen“, keuchte sie. „Haben sie es gesehen?“

„Ja“, sagte Winston leise. „Ich habe sie gesehen.“

Dianne nickte erschöpft und schloss ihre Augen wieder. Während Winston loslief, um den Anker für die Heimfahrt nach ORCA zu lichten und medizinische Hilfe anzufordern, schauten Jason und Brett sich gegenseitig an.

„Tja“, sagte Jason leise, „Jetzt ist die Katze aus dem Sack.“

Im UBRI-Hauptquartier auf dem Festland erhob Hellegren seinen Kopf vom Tisch mit den Instrumente, über die er sich vertieft hatte. Der klare Klang von Walgesängen summte in der Luft.

„Wissen sie, Johansson“, sagte er zu seinem Assistent, „je mehr ich von diesen Aufnahmen höre, desto eher denke ich, dass dieser spezielle Wal etwas etwas ziemlich besonderes ist.“

„Doktor?“

„Bei all dem, was ich bisher erlebt habe, ist mir noch nie ein Versuchstier begegnet, dessen Gesang solch eine Reinheit und solch ein Frequenzspektrum hatte. Wenn uns je eine Kreatur helfen wird, ihre Sprache zu entschlüsseln, dann ist es diese. Ich würde sie wirklich gerne näher untersuchen.“

Johannson lachte. „Vielleicht können wir ihn auf einen Nachmittagstee einladen, Sir.“

Hellegrens Gesicht versteinerte. „Ich mache keine Witze, mein Freund.

Im Augenblick deckt Dr. Bates Forschung unseren direkten Bedarf. Doch der Tag ist nicht fern an dem das nicht mehr ausreichen wird. Um tiefgehender forschen zu können, werden wir wohl das Tier selbst in Händen halten müssen.“

Ein kaltes Funkeln schimmerte über seine Augen als er hinzufügte: „Und wenn wir die Kreatur haben wollen, müssen Vorbereitungen treffen, um sie uns nehmen zu können.“